Anfechtung Betriebsratswahl: zu viele Bewerber auf dem Stimmzettel

Betriebsratswahlen sorgen immer wieder für rechtliche Turbulenzen. Zu rechtlichen Meinungsverschiedenheiten kann es dabei schon im Zusammenhang mit dem Wahlzettel zur Betriebsratswahl kommen. So in einem Fall, in dem der Wahlvorstand sämtliche Wahlbewerber der Vorschlagsliste auf dem Stimmzettel angab – insgesamt 96 Personen.

Ein Verstoß gegen eine zwingende Wahlvorschrift, der zur Anfechtung der Betriebsratswahl führen kann – auch durch den Wahlvorstand selbst. So urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss vom 16.09.2020, Az.: 7 ABR 30/19).

Anfechtung der Betriebsratswahl § 19 BetrVG

Nach § 19 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist eine Betriebsratswahl anfechtbar, wenn bei der Wahl Wahlvorschriften verletzt wurden und das Einfluss auf das Wahlergebnis hatte. In einem solchen Fall kann das Arbeitsgericht nach einer Anfechtung der Betriebsratswahl die Wahl für ungültig erklären. Anfechtungsberechtigt ist jeder wahlberechtigte Arbeitnehmer.

96 Bewerber auf den Stimmzetteln

Bei der streitigen Betriebsratswahl ließ der Wahlvorstand drei Vorschlagslisten zu. Die späteren Stimmzettel führten alle 96 Bewerber namentlich auf. Die Arbeitnehmer wählten u.a. drei Mitglieder des Wahlvorstands (A, B und C) zu Betriebsratsmitgliedern.

Exakt diese Mitglieder des Wahlvorstandes und nun Betriebsratsmitglieder erklärten nach ihrer Wahl die Anfechtung eben dieser Betriebsratswahl. Der Wahlvorstand habe gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO) verstoßen: man habe auf den Stimmzetteln alle Bewerber angegeben, nicht nur jeweils zwei pro Vorschlagsliste. Außerdem habe der Arbeitgeber die Wahl beeinflusst, indem er zwei Listen durch die Verteilung von Werbematerial und Schokoriegeln unterstützte.

Anderer Auffassung war der Arbeitgeber: Einerseits seien A, B und C als ehemalige Mitglieder des Wahlvorstandes nicht anfechtungsberechtigt. C sei außerdem aus dem Betrieb ausgeschieden. Nicht zuletzt sah der Arbeitgeber keinen Anfechtungsgrund – und falls einer existieren würde, hätte sich ein Verstoß nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt. Denn eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber hätte nicht stattgefunden.

Wahlvorstand und Ex-Arbeitnehmer sind anfechtungsberechtigt

Recht bekamen vor dem BAG letztlich jedoch die Betriebsratsmitglieder.

Zunächst stellte das BAG fest, dass A, B und C als Mitglieder des Wahlvorstands und auch Ex-Arbeitnehmer durchaus wahlanfechtungsberechtigt sind. Wahlvorstandsmitglieder können sich sogar auf selbst verursachte Verstöße berufen, wenn sie die Anfechtung nicht ausschließlich darauf stützen. So war es hier der Fall: Die Anfechtung wurde auch auf die Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber gestützt.

Außerdem stellt das BAG fest: auch ein Ex-Arbeitnehmer darf die Betriebsratswahl anfechten, wenn dieser Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der angefochtenen Wahl wahlberechtigt war. Das Ausscheiden aus dem Betrieb nimmt dem Arbeitnehmer nicht die Anfechtungsbefugnis. Etwas anderes gilt nur, wenn sämtliche Arbeitnehmer, die die Betriebsratswahl anfechten, inzwischen nicht mehr im Betrieb arbeiten.

Vorschriften zur Stimmzettelgestaltung Betriebsratswahl zwingend

Die Richter des BAG hielten die Anfechtung außerdem auch für begründet.

Die fehlerhafte Gestaltung der Stimmzettel sei ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 WO. Bei der Vorschrift handle es sich um eine wesentliche Wahlvorschrift, die nicht nur eine Mindestzahl anzugebender Bewerber definiere. Die Vorschrift bestimme auch zwingend, dass die beiden Bewerber, die auf der Vorschlagsliste an erster Stelle nach der Reihenfolge der Ordnungsnummern benannt sind, auf den Stimmzetteln untereinander anzugeben sind.

Nicht zuletzt gingen die Richter auch davon aus, dass die Wahlentscheidung durch die Angabe sämtlicher Bewerber auf dem Stimmzettel durchaus beeinflusst wurde – etwa indem die Wahlentscheidung zugunsten einer der Listen mit der größten Zahl von Wahlbewerbern getroffen wurde.

Da die Wahl also unter Verletzung von wesentlichen Wahlvorschriften erfolgt war, war die Anfechtung der Betriebsratswahl letztlich erfolgreich und die Wahl musste wiederholt werden.

Auch Wahlvorstand kann Betriebsratswahl wegen Formfehlern anfechten

Die Entscheidung zeigt, dass eine Betriebsratswahl selbst bei Formfehlern schnell anfechtbar und damit unwirksam ist. In einem solchen Fall kann sogar der Wahlvorstand die Wahl wegen eigener Fehler anfechten. Und nicht zuletzt dürfte es oft schwerfallen, die Beeinflussung des Wahlergebnisses durch den Formfehler ausschließen zu können.

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