Sozialplan: Benachteiligung wegen Schwerbehinderung und Alter?

Bei betriebsbedingten Kündigungen einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat regelmäßig auf einen sog. Sozialplan für alle von den Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer*innen. Der Sozialplan regelt u.a. Kündigungsbedingungen und Abfindungsregelungen. Normalerweise sollen diese Regelungen für eine Gleichbehandlung aller Betroffenen sorgen. Im Einzelfall können die Regelungen allerdings zu einer Benachteiligung Einzelner oder einzelner Arbeitnehmergruppen führen.

So war es auch in einem Fall des Bundesarbeitsgerichts (BAG), bei dem sich ein Arbeitnehmer durch eine Sozialplanregelung wegen seines Alters und seiner Schwerbehinderung benachteiligt fühlte (BAG, Urteil v. 16.07.2019, Az.: 1 AZR 842/16).

Wann spricht man im Arbeitsrecht von einer Benachteiligung?

Im Arbeitsrecht gilt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach § 75 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sind alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln. Jede Benachteiligung von Personen z.B. wegen Geschlecht, Behinderung oder Alter soll unterbleiben.

Definiert wird die Benachteiligung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Danach liegt eine Benachteiligung vor, wenn eine Ungleichbehandlung existiert, ohne dass es dafür ein rechtmäßiges Ziel gibt, das eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würde. Fehlt es an einem sog. rechtfertigenden Sachgrund, sind Ungleichbehandlungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht rechtmäßig. Das wiederum kann – je nach konkreter Situation – unterschiedliche rechtliche Folgen haben.

Worum ging es im BAG-Fall?

In dem Fall vor dem BAG stritten sich der Arbeitgeber und einer seiner Arbeitnehmer um die Berechnung der Höhe einer Sozialplanabfindung. Der Arbeitnehmer war 56 Jahre alt und schwerbehindert.

Da eine Betriebsstillegung geplant war, hatten Arbeitgeber und Betriebsrat sich auf einen Sozialplan geeinigt. Der war Auslöser des Rechtsstreits. Denn im Sozialplan war u.a. für ältere Arbeitnehmer geregelt, dass diese ein individuelles Angebot zum Ausscheiden aus dem Unternehmen erhalten sollen.

Die Regelung zur Bemessung der Abfindung stellte darauf ab, dass eine 80 %-ige Nettoabsicherung bis zum frühestmöglichen Wechsel in die gesetzliche Rente sichergestellt ist. ALG I und Bezüge aus der Altersversorgung ab dem 60. Lebensjahr sollten dabei angerechnet werden. Für jüngere Arbeitnehmer hingegen sollte sich die Abfindung rein auf der Basis von Entgelt und Betriebszugehörigkeit errechnen.

Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer beendeten das Arbeitsverhältnis mit einem Aufhebungsvertrag, der nach der Berechnung auf Grundlage des Sozialplans für ältere Arbeitnehmer eine Abfindung i.H.v 7.615,14 Euro brutto vorsah.

Das fand der Arbeitnehmer ungerecht und klagte vor dem Arbeitsgericht. Er forderte, dass seine Abfindung nicht nach der Formel für ältere, sondern für jüngere Arbeitnehmer berechnet werden soll. Danach würde seine Abfindung 145.977,21 Euro brutto betragen. Die Berechnung seiner Abfindung nach der Formel für ältere Arbeitnehmer bewirke in seinem Fall eine Benachteiligung aufgrund seines Alters und seiner Behinderung. In jedem Fall dürfe bei einer Berechnung seiner Abfindung nur das frühestmögliche Renteneintrittsalter für nicht schwerbehinderte Menschen zugrunde gelegt werden.

BAG-Urteil: Sozialplanregelung beinhaltet keine Benachteiligung wegen Alters

Das BAG lehnte einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Berechnung der Abfindung nach der Formel für jüngere Arbeitnehmer ab. Die Sozialplanregelung zur Abfindungsberechnung benachteilige ihn zwar mittelbar wegen seiner Schwerbehinderung, aber nicht wegen seines Alters. Eine andere Abfindungsberechnung komme nicht in Betracht.

Die Sozialplanregelung bewirke eine ungerechtfertigte Benachteiligung schwerbehinderter Menschen, da sie zur Berechnung der Höhe einer Abfindung auf den „frühestmöglichen“ Bezug einer gesetzlichen Rente abstellt. Da schwerbehinderte Menschen drei Jahre früher in die gesetzliche Rente eintreten dürfen als nicht behinderte Menschen, wird der Abfindungsanspruch hier aufgrund der Behinderung verkürzt. Diese Ungleichbehandlung ist nicht sachlich gerechtfertigt. Dem benachteiligten Arbeitnehmer sind daher dieselben Vorteile zu gewähren wie den nicht benachteiligten Arbeitnehmern. Das heißt, die Abfindung ist insoweit für die Vergangenheit „nach oben“ anzupassen. Es bleibe somit bei der Abfindungsberechnung für ältere Arbeitnehmer. Allerdings sei der Anspruch auf der Grundlage des Renteneintrittsalter nicht behinderter älterer Arbeitnehmer zu berechnen.

Eine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen Alters läge hingegen nicht vor. Die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer wegen Alters sei nach § 10 S. 1 und 2 AGG sachlich gerechtfertigt. Mit der Differenzierung bei der Berechnungsmethode werde ein legitimes Ziel verfolgt: Der pauschalierte Ausgleich für die Zukunft soll nach den Bedürfnissen der betroffenen Arbeitnehmer gewährt werden. Nach dem BAG sind die unterschiedlichen Berechnungsmethoden bei der Abfindungshöhe für die jeweiligen Altersgruppen erforderlich und objektiv geeignet, das gewünschte Ziel zu erreichen. Eine Benachteiligung durch eine geringere Abfindungshöhe aufgrund des Alters ist daher im Einzelfall durch einen Sachgrund gerechtfertigt.

Fazit

Wann eine Ungleichbehandlung einzelner Arbeitnehmer durch einen Sozialplan ungerechtfertigt ist, ist meist eine Einzelfallentscheidung. Nur in Fällen, in denen bereits objektiv ein Sachgrund für eine Benachteiligung fehlt, ist eine Ungleichbehandlung rechtswidrig.

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