Einlass der Arbeitnehmer: Sind Betriebsöffnungszeiten mitbestimmungspflichtig?

Der Betriebsrat hat nach Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht zu Fragen der betrieblichen Ordnung. Doch was gehört zu den „Fragen der betrieblichen Ordnung“? Sind die Betriebsöffnungszeiten Teil dieser betrieblichen Ordnung oder bestimmt der Arbeitgeber darüber allein?

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen setzte sich mit dieser Frage auseinander. Es entschied darüber, ob es für den Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gibt, wenn es darum geht, wann Arbeitnehmer vor Beginn der Arbeitszeit Zugang zum Betrieb erhalten (LAG Hessen, Beschluss v. 8.2.2021, Az.: 16 TaBV 185/20).

Was ist Mitbestimmung bei betrieblicher Ordnung?

Mitbestimmung heißt, dass der Betriebsrat ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen des Arbeitgebers in einem Bereich verlangen kann – sofern der Betriebsrat eben ein Mitbestimmungsrecht hat. Geht es um Themen der betrieblichen Ordnung, besteht grundsätzlich ein solches Mitbestimmungsrecht. Das Mitbestimmungsrecht ist in diesem Fall in § 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BetrVG verankert.

Bei der betrieblichen Ordnung geht es grundsätzlich um alle Maßnahmen, die das betriebliche Zusammenleben und das Zusammenwirken der Arbeitnehmer betreffen. Das betrifft vor allem allgemeingültige Weisungen, Verhaltensregeln oder andere Maßnahmen, die einen ungestörten Arbeitsablauf und eine reibungslose Zusammenarbeit der Arbeitnehmer im Betrieb sichern (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG), 13.02.2007, Az.: 1 ABR 18/06).

Beschließt der Arbeitgeber eine Maßnahme der betrieblichen Ordnung, ohne den Betriebsrat zu beteiligten, kann der Betriebsrat vor Gericht die Unterlassung dieser Maßnahme einfordern. Genau darum ging es in dem Fall des LAG Hessen.

Einlass am Drehkreuz

Arbeitgeber und Betriebsrat stritten über einen Unterlassungsantrag des Betriebsrats: Der Arbeitgeber sollte es unterlassen, den Arbeitnehmern den Zutritt zum Betrieb vor 5:30 Uhr zu verwehren. Ganz konkret ging es um die Drehkreuze für den Betriebseingang. Diese öffneten sich erst ab 5:30 Uhr. Um 6:00 Uhr war Arbeitszeitbeginn.

Mit Beginn der Corona-Pandemie sah der Betriebsrat im kurzen Zeitraum zwischen Betriebsöffnungszeiten (5:30 Uhr) und den betriebsüblichen Arbeitszeiten (6:00 Uhr) ein Problem, den notwendigen Hygieneschutz zu gewährleisten und die geforderten Abstände einzuhalten.

Der Betriebsrat forderte deswegen den Arbeitgeber auf, die Drehkreuze früher zu öffnen, und stützte die Forderung auf sein Mitbestimmungsrecht zu Fragen der betrieblichen Ordnung und des Gesundheitsschutzes. Der Arbeitgeber lehnte eine Vorverlegung der Öffnungszeiten ab. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates würde nicht bestehen.

Dagegen klagte der Betriebsrat. Die Regelungen des Betretens und Verlassens des Betriebs unterlägen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Diese gehörten zur Ordnung des Betriebes. Es sei mitbestimmt zu regeln, wie sich die Arbeitnehmer in Anbetracht der festgelegten Betriebsöffnungszeiten verhalten sollen. Eine Mitbestimmungspflicht ergäbe sich außerdem daraus, dass die Festlegung der Betriebsöffnungszeiten in diesem Falle Fragen des Gesundheitsschutzes betreffen würde.

Die Entscheidung: Kein Mitbestimmungsrecht bei Betriebsorganisation

Vor Gericht bekam der Arbeitgeber Recht: Die Festlegung der Betriebsöffnungszeiten sei Teil der mitbestimmungsfreien Organisation des Betriebs durch den Arbeitgeber. Damit würde auch kein Unterlassungsanspruch aus § 87 Abs. 1 BetrVG bestehen. Die Praxis des Arbeitgebers, die Drehkreuze erst ab einer bestimmten Uhrzeit zu öffnen, betrifft nicht die Ordnung, sondern die Organisation des Betriebs. Dieser Aspekt unterliegt aber nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Die Festlegung eines bestimmten Zeitpunkts, zu dem die Drehkreuze öffnen, legt lediglich den Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsgelände vor Arbeitsbeginn fest. Die Berechtigung dazu folgt unmittelbar aus dem Hausrecht des Arbeitgebers.

Auch eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sah das Gericht hier nicht. Es geht allein darum, dass die Mitarbeiter erst ab einem bestimmten Zeitpunkt die Drehkreuze passieren können, um den Betrieb zu betreten. Der Arbeitgeber würde mit den Zugangszeiten keine Regelung auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes treffen, sondern schlicht festlegen, wann die Mitarbeiter frühestens die Drehkreuze passieren können.

Grenzen der Mitbestimmung nicht immer eindeutig

Die Entscheidung zeigt, dass die Grenzen zwischen einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme des Arbeitgebers und einer mitbestimmungsfreien oft auf den ersten Blick nicht eindeutig sind. Bei der Mitbestimmungspflicht zu Fragen der betrieblichen Ordnung kann die Abgrenzung zur mitbestimmungsfreien betrieblichen Organisation beispielsweise problematisch sein.

Gibt es Streit um Fragen der Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer Arbeitgebermaßnahme? Haben Sie Fragen zur Mitbestimmung im Rahmen der betrieblichen Ordnung? Sie erreichen mich telefonisch unter 08215 / 08 526 60 oder per E-Mail an: kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.