„Neulich im Getränkemarkt“

Warum es manchmal unumgänglich ist, bewusst ein Risiko einzugehen!

Unternehmertum bedeutet immer, Entscheidungen zu treffen, die unter einem gewissen Risiko stehen. Das ist auch oft im Arbeitsrecht so. Warum? Ein Beispiel:

Eine Frau wechselt von einem Anstellungsverhältnis in die Selbstständigkeit. Sie übernimmt einen Getränkemarkt. Der bisherige Betreiber hört aus Altersgründen auf. Auf mich kam die Unternehmerin zu, da sie rechtssichere Arbeitsverträge für ihre zukünftigen geringfügig Beschäftigten wollte. Schriftliche Arbeitsverträ- ge gab es bisher nicht. Also fuhr ich zu der Unternehmerin und hörte erst mal aufmerksam zu. Schnell stellte sich heraus, dass die Arbeitsverträge das kleinste Problem waren. Es stand das Thema Betriebsübergang im Raum. Alle Anzeichen sprachen dafür. Die Unternehmerin übernimmt die Geschäftsräume, den Warenbestand, den Lieferanten, natürlich die Kunden und sie will auch einen Teil der Mitarbeiter übernehmen. Klar war, bisher sind es zu viele Mitarbeiter. Bleibt die Zahl konstant, unterliegt der Getränkemarkt dem Kündigungsschutzgesetz. Das ist kein Zustand den man in diesem Fall anstreben sollte.

Die Lösung:

Gleich vorweg, einen sicheren rechtlichen Weg gab es in diesem Fall nicht mehr. Also rein ins Risiko, und den Blick auf das unternehmerische Ziel ausgerichtet. Meine Empfehlung war, der bisherige Inhaber soll alle Arbeitsverhältnisse kündigen. Zwar sind Kündigungen sehr wahrscheinlich wegen eines Betriebsübergangs unwirksam. Aber die Unwirksamkeit einer Kündigung muss ein Arbeitsgericht feststellen. Erfahrungsgemäß klagen nicht alle Arbeitnehmer/innen, schon gar nicht, wenn es sich um geringfügig Beschäftigte handelt. Das Risiko ist also, dass vielleicht eine oder zwei Personen klagen. Die finanzielle Belastung durch geringfügig Beschäftigte für weitere zwei bis drei Monate ist zu verkraften. Da das Kündigungsschutzgesetz nach der Übernahme nicht mehr gilt, können dann die klagenden Personen notfalls ohne Kündigungsgrund gekündigt werden. Die Unternehmerin hat den Vorschlag an den bisherigen Betreiber weitergegeben. Dieser hat ihn umgesetzt und alle Mitarbeiter/innen haben den Erhalt der Kündigung bestätigt. Geklagt hat niemand. Und was war mit den Arbeitsverträgen? Wenn Sie sich an die letzte Kolumne erinnern, da waren die Themen Flexibilisierung und zusätzliche Leistungen.

Flexibilisierung

Ich habe der Unternehmerin Flexibilität für den Fall verschafft, dass nächstes Jahr der Mindestlohn angehoben wird. Dann kann die Unternehmerin die Arbeitszeit einseitig reduzieren, so dass die Geringfügigkeitsgrenze weiter eingehalten wird.

Zusätzliche Leistungen

Einer Mitarbeiterin wollte die Unternehmerin einen steuerfreien Fahrtkostenzuschuss geben. Sie erinnern sich? Keine zusätzlichen Leistungen ohne vertragliche Regelung. Hier habe ich die Regelung so gestaltet, dass für den Fall, dass die Leistung eines Tages steuerpflichtig wird, klar ist, dass die Steuer dann von der Mitarbeiterin zu tragen ist. Außerdem wurde ein Widerrufsvorbehalt vereinbart, denn wer zusätzliche Leistungen gibt, sollte sich immer überlegen, wie er diese notfalls wieder wegnehmen kann.

Markus Schleifer – Rechtsanwalt für Arbeitsrecht